Objekt-Comedy im Waldenburger Gleis 1

(Heilbronner Zeitung 21.12.2005)

Der Reißnagel der Erleuchtung

Von Michael Dignal

Sein Weg zur Erkenntnis führt ihn durch parallele Alltagswelten und mitten hinein in die Bedeutung und Tücke des Objekts, Als verrückter Forscher, akrobatischer Konstrukteur und absonderlicher Visionär versetzte Lothar Lempp sein Publikum in der Waldenburger Künstlerkneipe Gleis 1 in heiteres Erstaunen.

Lempps postuliertes Streben nach "objektiver Bewusstseinserweiterung" ist wörtlich zu nehmen, denn nur durch das Objekt selbst findet er zum Ziel. Nur der Zollstock eröffnet ihm die kosmische Ansicht von buddhistischen Mönchen auf Meeresschildkröten, die Zinkbadewannen durchs All schleppen. Nur der Schubladenkasten auf dem Kopf erlaubt ihm die Kategorisierung der Welt.

Auf der Suche nach dem Reißnagel der Erleuchtung verschwindet der metaphysische Minimalist im Koffer, wird dort zum Tiefseetaucher und gerät in heftigen Straßenverkehr. Mit dem Eierschneider vertont er die Wunder des Universums, mit der Plastikflasche demonstriert er - allerdings erfolglos den Schritt ins jenseits.

Dicht dran an der absurden Ernsthaftigkeit eines Buster Keaton oder Karl Valentin scheut Lempp vor keiner Skurrilität zurück: weder vor dem singenden Kohlebrikett noch vor der bereiften Sackleinenraupe kurz vor der Metamorphose.

Auf groteske Weise eindrücklich ist vor allem seine "Objektoper", deren wunderliche, nicht ganz problemlos nachvollziehbare Handlung er mit Schaufelblech, Abflussrohr und Wischmop ausstaffiert. Mittels eines elektrischen Schrubbers bringt er dabei auch noch die imaginäre Heavy-Metal-Band "Gartenhandschuh Detonation" auf spezielle Weise zu Gehör.

Angesichts solcher Komik, die sich aus gewöhnlichen Dingen speist und dennoch von einem anderen Stern zu sein scheint, quillt das Gelächter der Zuschauer aus abgrundtiefer Verblüffung hervor.