Fränkische Nachrichten und Tauberzeitung 19.2.2008

10. Hohenloher Theatertage: Objekt-Komik-Theater mit Lothar Lempp

Eine abenteuerliche Reise, in die Dinge hinein

NIEDERSTETTEN. Fast mit Handschlag begrüßen konnte Kulturamtsleiter Norbert Bach die Besucher der Theatertage- Matinee am Sonntag Vormittag. Das ist schade, denn das Programm "Sachen Suchen" von Lothar Lempp hätte ein wesentlich größeres Publikum verdient. Die knapp 30 Gäste vom Kindergartenkind bis zum Senior jedenfalls hatten an Lempps Objekt - Komik- Theater ihre helle Freude. Die Kinder quietschten vor Begeisterung, und die Großen kringelten sich vor Lachen angesichts der skurrilbunten Phantasie des Mergentheimer Künstlers.

Angekündigt war eine ungewöhnliche Mischung aus Maskentheater, Comedy und Performance." Ungewöhnlich? Außergewöhnlich! Auf der Bühne wartet eine Riesenkiste, dazu Koffer, ein kleines Schubladenschränkchen. Sackleinen hängt an der Wand, Technik und viele Strippen machen den Fußboden zum Parcours, über der Bühne hängt schräg eine Blechgießkanne aus der guten alten Zeit. Da kriecht eine überdimensionale Raupe über die Bühne. Sackleinen kleidet sie vorzüglich, Fahrradreifen markieren die Segmente. Sie robbt sich mühevoll voran, wuchtet sich über die Kistentruhe, hinweg, erhebt sich, schreit: Nein! Ich will kein Schmetterling werden! Was sich entpuppt, ist Lempp: lang, schlaksig und mit ausdrucksfähiger Mimik und Gestik und ganz offensichtlich unerschöpflicher Phantasie begnadet.

"Sachen Suchen", das ist eine abenteuerliche Reise hinein in die Dinge. Das verändert die Perspektive. Zum Beispiel gegenüber dem Zollstock. Wochen, nein Monate hat der Sucher damit zugebracht, sich in das Ding hineinzudenken, das sich so trefflich falten, formen lässt - bis hin zur kosmischen Erkenntnis. Tja, bei tiefer Meditation mit großem Schuss Esoterik kann es einem da schon zustoßen, dass man sich in einer Zinkbadewanne wiederfindet, die das All durchreist. Der Zollstock weiß: dem Universum fehlt etwas. Im Lemppschen darob angestimmten Trauergesang mischen sich Technik und schamanistische Klangwelten aus allen Kontinenten. Die akustische Vervielfältigungsmaschine, die mittels Fußschalter zuschaltbare Live-Loop-Station ermöglicht schrittweise Orchestrierung mit nur einer Stimme: es klackt, es summt, es surrt mit meditativen Ommmmmmms und.Schamanengesang aus der Bauchhöhle kraxelt er mit Kopfstimme in höchste Höhen, webt Wasser ein und Gurgeln und wird doch keine Kakophonie, sondern stets überraschend neues, die Lachmuskulatur kitzelndes Sphären-Klangsystem.

Begnadet ist die Phantasie, mit der der Mergentheimer Kostüme schafft: der König etwa regiert mit Schaufelkrone und Schippchenszepter, ein Außerirdischer im Schutzoverall verstromt sich selbst, die Raupe ist ein Ding für sich und das Telefonmonster gehört nun eigentlich in irgendein wunderbares Kinderbuch, das noch geschrieben werden muss.

Sachen Suchen: das kann ein Heftzweck sein, der sich nicht finden lässt und eine tief tauchende Truhenexkursion erzwingt. Lempp faltet sich in seine Truhe, in der die ganze Welt zu wohnen scheint, so dass man schlicht nie weiß, wo man da landet Ein Glück: der Mann taucht wieder auf - mit neuen Geschichten, neuen Suchversuchen. Er erkundet den Schubladenschrank, der zum Kopf gerät, schafft es, obwohl kein Minenspiel zu sehen ist, das steckt ja drin im Schränkchen, höchst ausdrucksvoll zu suchen, zu finden, sich zu betrachten und zu stylen - Schubladen haben wirklich eine Seele, auch wenn es einen Lempp braucht, um die zu entdecken...

Mit gleicher Konsequenz widmet sich Lothar Lempp dem Putzfimmel - im Reinigungsritual mit Wassereimer, in den es aus der Kanne höchst melodisch tropft. Natürlich braucht erst auch das Publikum Entspannung: Hypnose mit pendelnder Glühbirne. Dann steckt, unglaublich, der Kopf im Saugersack, verwandelt sich der ganze Mann flugs in ein, Sauginsekt aus fernen Welten, zur Reinigung von Selbst und Bühne, steigt aber, Gott sei Dank, doch nicht ins Publikum hinab.

Bizarr, begeisternd, zum Biegen komisch und mit viel Hintersinn: "Sachen Suchen". Das sind Faxen mit philosophischem Hintergrund, das ist faszinierend ge- und entfaltete Gesellschaftskritik, vermittelt durch ein komplettes Spiegelkabinett der Phantasie. Das Publikum hat es mit viel Begeisterung goutiert.

Inge Braune